Zur dritten Ausgabe der Afzack-Instagram-Livetalks All about... begrüßten wir die beiden Krankenschwestern Manuela und Malou. Manuela hat vor kurzem ihre Ausbildung zur Krankenschwester an der Claudiana Bozen abgeschlossen und ist erst seit zwei Monaten im Krankenhaus Meran tätig. Seit dem Ausbruch des Corona-Virus arbeitet sie auf der Station der positiv getestenen PatientInnen. Malou ist hingegen seit vier Jahren Krankenpflegerin. Sie arbeitet im Krankenhaus Bozen auf der Intensivstation.
In einem spannenden Gespräch erzählen die beiden von ihrem Werdegang, dem Alltag als Krankenschwestern und von speziellen Momenten während dieser ungewöhnlichen Situation.
Hallo Manuela. Woher kam die Idee und Inspiration Krankenschwester zu werden?
Ich wusste immer schon, dass ich einen sozialen Beruf ausüben will. Da meine Mutter auch im Krankenhaus tätig ist, wollte ich auch ein bisschen in ihre Fußstapfen treten. Anfangs zog mich vor allem die Hebammenarbeit, sprich mit Säuglingen und Müttern, an. An der Claudiana Bozen starten Hebammenkurse leider nur alle drei Jahre. Daraufhin entschied ich mich für einen Kurs der Krankenpflege. Im Nachhinein bin ich sehr froh über diese Entscheidung, da ich vor allem während meiner Praktika gemerkt habe, dass ich doch besser mit Erwachsenen bzw. älteren Menschen arbeiten kann als mit Kindern. Nach drei harten aber sehr lehrreichen Jahren an der Claudiana konnte ich mein Studium im Dezember 2019 erfolgreich abschließen.
Ich bin dann relativ schnell ins Berufsleben gestartet und habe meine berufliche Karriere am Krankenhaus Meran begonnen.
Welche waren deine ersten Schritte als Krankenpflegerin?
Nach der Zusage habe ich in der Abteilung Geriatrie, d.h. PatientInnen über 75 Jahren, gearbeitet. Schon nach einem Monat wurde ich jedoch von meiner Koordinatorin angesprochen, ob ich auf der neu entstanden Covid-Station arbeiten wollte. Anfangs war ich etwas beängstigt und war auch unsicher, ob ich nach so kurzer Zeit schon wieder bereit war neue KollegInnen, Ärzte und Tagesabläufe kennenzulernen. Darüber hinaus wäre ich direkt an der Front dieser neuen Covid-Situation.
Auch unser astronautenähnliche Ausrüstung flößte mir in gewisser Weise Angst ein.
Nach ein paar Gesprächen mit Arbeitskolleginnen und meinen Koordinatoren entschloss ich mich aber dafür, dass ich helfen und diese Erfahrung machen wollte. Heute bin ich sehr froh über meine Entscheidung.
Erzähl uns konkret von deinen Arbeitsabläufen.
Im Meran Krankenhaus gibt es zwei Geriatrien – Geriatrie 1 und 2 - die sich auf demselben Stock befinden. In beiden Stationen stehen jeweils 20 Betten zur Verfügung. Die Geriatrie 2 wurde sofort nach Ausbruch des Virus zur Corona-Station der positiv Getesteten gemacht. Auf dieser Covid 2 arbeite seitdem auch ich. Dazu gibt es die Covid 1, die ex Geriatrie 1, welche als graue Zone benutzt wird, also für jene PatientInnen, bei denen nicht klar ist, ob der Abstrich positiv oder negativ ist. Sollte der Abstrich positiv ausfallen, kommen diese Patienten zu uns.
Wie sieht der Prozess zwischen Tests und deiner Station aus?
Über die zwei genannten Covid-Station hinaus, haben wir auch eine Obi-Station (ex Reha), auf welcher die PatientInnen maximal 36 Stunden bleiben. Wird jemand bspw. in die erste Hilfe gebracht, wird ein Abstrich gemacht. Bis zum Resultat, bleibt die Person auf dieser Obi-Station. Bei einem negativen Ergebnis wird dann z.B. auf die Urologie weiterverwiesen. Bei positivem Bescheid hingegen kommt die Person zu uns, bei Zweifeln auf die Covid 1 (graue Zone).
Wie kommst du mit der mentalen Belastung klar?
Ehrlich gesagt habe ich es mir von mentaler Seite her schwieriger vorgestellt. Anfangs durften wir nicht spazieren gehen und waren immer nur auf der Station oder zu Hause. In dieser Zeit habe ich versucht mit meiner Mutter, die auch auf der Station ausgeholfen hat und mit einer Freundin, die auf der Intensivstation arbeitet, das Erlebte aufzuarbeiten. Mittlerweile versuche ich durch Spaziergänge einen Ausgleich zu schaffen.
Sollten wir PflegerInnen Redebedarf haben, steht uns auch eine Psychologin zur Verfügung.
Wenn PatientInnen auf unsere Station kommen, sehen sie als erstes uns, in voller Montur. Das kann unter Umständen auch beängstigend wirken. Unsere erste Tat ist demnach uns vorzustellen, zu erklären warum wir so bekleidet sind und wie die Station aufgebaut ist und zu fragen, ob die Person weiß, warum sie bei uns gelandet ist. Gerade in dieser schwierigen Situation ist dies sehr wichtig, da die Menschen auf sich alleine gestellt sind und eben keine Bezugspersonen zur Unterstützung dabei haben. Demnach ist es essenziell, dass wir mit den Personen reden, ihnen Sicherheit geben und uns Zeit für sie nehmen.
Da keine Besuche gestattet sind, ist das Stationshandy umso wichtiger. Über Whatsapp-Videoanrufe können wir so den Kontakt mit den Angehörigen der PatientInnen gewährleisten. Oft sind die Gespräche sehr emotional und teilweise sind wir auch während der Telefonate dabei, da manche nicht mehr die Kraft haben, das Handy selbst in der Hand zu halten.
Es gibt viele schöne Momente, aber auch traurige, bei welchen auch die ein oder andere Träne fließt.
Eine persönliche Erfahrung, die ich miterlebt habe und sicherlich nicht mehr vergessen werde, ist die folgende. Wir hatten einen Patienten, von dem wir wussten, dass er leider bald sterben wird. Bei diesem letzten Gespräch mit Ehefrau und Angehörigen war ich dann dabei und wurde davon sehr mitgenommen. Trotzdem bin ich unglaublich froh, dass wir den Menschen diese Art von Abschied ermöglichen können.
Habt ihr auch jüngere Menschen auf der Station?
In Meran wurde auch die Pädiatrie so strukturiert, dass positive Fälle zwischen 0 und 18 Jahren aufgenommen werden könnten. Meines Wissens nach gab es diese Situation glücklicherweise nicht. Auf meiner Station hatten wir auch schon jüngere Patienten, von 26 Jahren aufwärts.
Für mich war es ziemlich schlimm zu sehen, dass es auch so jungen Menschen sehr schlecht ging und sie auf der Intensivstation um ihr Leben kämpften. Umso schöner war es dann zu sehen, dass sie sich erholen und diese schlimme Zeit überstehen konnten.
Erzähl uns zum Abschluss von den positiven Gefühlen einer Entlassung.
Sobald es den PatientInnen wieder soweit gut geht, werden sie von uns entlassen, sei's nach Hause, ins Altersheim oder in eine rehabilitative Strutkur, wo sie sich weiter erholen können. Werden Patienten noch mit einem positiven Abstrich entlassen, müssen diese so lange in Quarantäne bleiben, bis sie zwei negative Abstriche erhalten.
Bei gewissen Patienten dachte man, dass sie die Krankheit nicht überstehen würden. Zu sehen, dass diese Personen die Station auf den eigenen Beinen verlassen konnten, war unglaublich schön. Wir werden als Engel und Helden bezeichnet und es werden Freudentränen verdrückt. Für uns ist es wunderschön, diese Menschen wieder zurück zu ihren Liebsten zu lassen.
Ich wollte eigentlich nie Krankenschwester werden und bin durch meine Mutter, die auch mit Leib und Seele Pflegerin ist, irgendwie in den Beruf hineingerutscht. Angefangen habe ich dann in München auf der toxikologischen Intensivstation. Zurück in Südtirol bin ich dann weiterhin im Notfallbereich geblieben und war für zwei Jahren in der ersten Hilfe. Seit einem Jahr bin ich jetzt auf der Intensivstation in Bozen.
Welche ist die größte Herausforderung deiner täglichen Arbeit?
Davon gibt es viele, wahrscheinlich aber der Fakt, dass Patienten praktisch nichts mehr selber tun. Sie sind sediert und wir sind für Herz, Lunge, Hirn, Nieren und im Grunde für alle Organe verantwortlich. Normalerweise behandeln wir viele verschiedene Krankheitsbilder, wie Herzinfarkte, Schlaganfälle oder Hirnblutungen, wobei alle PatientInnen anders und herausfordernd sind.
Wie hat sich dein Alltag durch das Corona-Virus verändert?
Durch das große Aufkommen von Fällen mussten auch wir umdisponieren. Die Station wurde komplett umgekrempelt und wir wurden zur Covid-Station. Geändert hat sich vor allem, dass die Patienten jetzt alle dieselbe Krankheit und ähnliche Probleme haben.
Einmal habe ich mich während einer Nachtschicht umgeschaut, die 16 PatientInnen liegen sehen und meine KollegInnen, alle von Kopf bis Fuß geschützt, beobachtet.
Die Situation war sehr surreal und ich habe mich gefragt, in welchem Katastrophenfilm ich mich gerade befinde.
Wie gehst du mit dieser neuen Situation um?
Anfangs hatte ich viele Fragen. Schützt uns die Ausrüstung wirklich? Wo sind Gefahrenstellen?
Ich habe trotz der Unwissenheit versucht, das Ganze mit etwas Humor zu nehmen, da wir wie kleine Astronauten ausschauen. Überhaupt zu Beginn war die Situation wie erwähnt surreal, mittlerweile haben wir uns aber irgendwie daran gewöhnt.
Erklär uns, wie eine Intensivstation aufgebaut ist.
Auf der Skizze habe ich versucht, eine Intensivbox aufzuzeichnen. Die Betten sind mittlerweile sehr modern und sind voll elektronisch und wiegen die PatientInnen fortlaufen, damit wir immer das aktuelle Gewicht wissen. An der oberen Rampe befinden sich ganz viele Steckdosen und die Anschlüsse für Sauerstoff, Vakuum und normale Raumluft. Auf den Monitoren links werden rund um die Uhr alle Daten aufgezeichnet. Darunter befindet sich der Respirator, also das Beatmungsgerät. Ein wichtiges Instrument im Notfall ist der Absauger, welcher bspw. verwendet wird, wenn jemand erbricht oder Schleim in der Lunge hat. Im Perfusorenbaum rechts werden alle wichtigen Medikamente in großen Spritzen eingespannt und über einen zentralen Venenzugang an die PatientInnen verabreicht.
Bei uns schlafen die PatientInnen eigentlich dauernd und wir haben wenig Kontakt. Der tollste Moment war wohl, als wir den ersten Patienten entlassen konnten. Dieser war unter anderem auch mein Patient und war zwei Wochen bei uns. Er war relativ jung und glücklicherweise recht schnell genesen. Nach der Intensivstation haben PatientInnen noch einen langen Weg vor sich, aber unser Teil ist geschafft. Bei der Entlassung haben wir alle applaudiert und der Patient hat sich mit Tränen in den Augen bei uns bedankt.
Ein Gedanke zum Abschluss.
Ich will allen, die zu Hause geblieben sind, danke sagen. Dadurch wurde das Schlimmste verhindert, da wir echt am Limit waren. Der Ärger und das Unverständniss für die Maßnahmen der Politik unter den Bürgern war (ist) verständlicherweise groß und die Situation schwierig. Dementsprechend ein großes Dankeschön, da uns durch euer Verhalten sehr geholfen wurde!